Teil 10: Wie viel Abwechslung? [Variation]

~3500 Wörter; 10-14 Minuten Lesezeit.

Autor: Lukas Buschkühl

Zusammenfassung

  • Solange du kein Wettkämpfer bist kannst du so viel Variation in dein Training einbauen wie es dir Spaß macht.
  • Das gilt sowohl für die Variation der Übungen in deinem Plan als auch für die Variation der Wiederholungsbereiche.
  • Entscheidend ist, dass du die geltenden Grundprinzipien, die in diesem Guide ausführlich dargelegt wurden, bei deiner Trainingsplangestaltung nie aus den Augen verlierst.
  • Flexible Trainingsplanung kann ein nützliches Werkzeug für weit fortgeschrittene Lifter sein.
  • Periodisierung ist nicht der heilige Gral der Trainingsplanung sondern meist missverstanden und überbewertet. Trotzdem kann Periodisierung ein nützliches Werkzeug sein.
  • Wenn du regelmäßig Deloads brauchst ist das ein klarer Indikator für mangelhaftes Erschöpfungsmanagement.

Grundprinzipien

Aus den vorherigen Teilen des Guides weißt du, dass:

  • Effektive Sätze mit 5 bis 15 Wiederholungen bei 1 bis 3 Wiederholungen im Tank die besten Ergebnisse liefern.
  • Mindestens eine Übung aus allen Grundbewegungsmustern wöchentlich in deinem Plan stehen sollte.
  • Die großen mehrgelenkigen Übungen den Hauptteil deines Trainingsplans ausmachen sollten und Isolationsübungen einen zusätzlichen Akzent setzen können, wenn du die Zeit dafür hast.
  • Der wichtigste Punkt für deinen Fortschritt ist, dass du jede Woche genug effektive Sätze eines Bewegungsmuster machst, um die für die Anpassung deines Körpers notwendige Dosis Erschöpfung zu erzeugen.

Welche Übung oder Kombination an Übungen du machst, ist nebensächlich. Du kannst sowohl mit dem Lowbar Squat, als auch mit dem Highbar Squat und dem Front Squat und jeder beliebigen Kombination dieser Übungen starke Beine und einen starken Rumpf aufbauen. Das Gleiche gilt für die Beinpresse und ausgefallenere Übungen.

 

Welche Übungen du trainierst ist egal, solange du damit effektive Sätze trainieren kannst und tatsächlich regelmäßig und dauerhaft genug effektive Sätze machst. Gleichzeitig ist auch egal, ob du vornehmlich im Bereich 5-8 Wiederholungen, 7-12 Wiederholungen, 10-15 Wiederholungen oder mit einer Mischung aus allen Wiederholungsbereichen trainierst.

Wie viel Abwechslung ist sinnvoll?

Wie viel Abwechslung für dein Training sinnvoll ist ist somit eine Frage, die du nur persönlich beantworten kannst.

 

Arnolds alte Weisheit »Du musst deine Muskeln verwirren, damit sie wachsen« ist inzwischen nicht mehr haltbar. Die gegenteilige Behauptung, dass du immer die gleichen drei Übungen im gleichen Wiederholungsbereich trainieren solltest und jede Form von Abwechslung schadet und dafür sorgt, dass du immer wieder bei null anfängst, ist ebenfalls falsch.

 

Viel Abwechslung kann genau so gut funktionieren wie wenig Abwechslung.

 

Wie schon bei der Trainingsfrequenz gibt es auch zu diesem Thema endlose Diskussionen zwischen den unterschiedlichen Lagern, die allesamt sehr erfolgreiche Weltklassesportler hervorgebracht haben. Ein deutlicherer Indikator dafür, dass beide Wege funktionieren, lässt sich kaum finden.

 

Arnold Schwarzenegger hat mit sehr viel Variation sowohl in seinen Übungen als auch in unterschiedlichen Wiederholungsbereichen trainiert und damit sieben mal den Mr. Olympia Titel gewonnen. Andrej Malanichev hat mit nur drei Übungen in seinem Trainingsplan (Lowbar Squat, Deadlift, Competition Bench Press) über zwanzig Weltrekorde aufgestellt.

 

In der Praxis geht es einfach nur darum, dass du so viel Abwechslung in dein Training einbaust, dass du von Woche zu Woche möglichst viele Arbeitssätze mit 5 bis 15 Wiederholungen bei 1 bis 3 Wiederholungen im Tank trainierst, ohne den Spaß am Training zu verlieren.

 

Wenn du erst ein paar Jahre am Eisen bist ist für dich in jedem Fall sinnvoll, immer mal wieder neue Übungen, Wiederholungsbereiche oder sogar komplett neue Trainingspläne auszuprobieren. Das berüchtigte 'Routine Hopping', bei dem Einsteiger, von der schieren Masse völlig unterschiedlicher Pläne im Internet erschlagen, monatlich von Trainingsplan zu Trainingsplan springen, hat seinen schlechten Ruf teilweise zu Unrecht. [1, 10]

 

Zwar stimmt es, dass im Kraftsport niemand ohne Geduld ans Ziel kommt und dass ein guter Plan über viel längere Zeiträume als einen Monat Erfolge liefert, aber:

  • Neue Übungen und neue Wiederholungsbereiche auszuprobieren hat für Einsteiger eine wichtige Funktion: Man findet heraus, welche Übungen und Wiederholungsbereiche am meisten Spaß machen.
  • Wenn die Ergebnisse der unterschiedlichen Pläne genau dokumentiert werden, lassen sich durchaus Rückschlüsse ziehen, welche Stellschrauben für den jeweiligen Lifter mental die größten Effekte haben.
  • Gerade Einsteiger profitieren noch vom Einsteiger Effekt und machen mit (nahezu) allen möglichen Programmen Fortschritte, so dass man sich wildes Herumexperimentieren in dieser Phase noch am ehesten leisten kann, ohne viel Zeit zu verlieren.

Den Fokus behalten

Das wichtigste beim wilden Herumexperimentieren ist, die Grundprinzipien nie aus den Augen zu verlieren.

 

Die Suche nach der perfekten Assistenzübung, die deine Kniebeuge um 30 kg nach oben schießen lässt, ist unsinnig. Entscheidend ist, dass du über Monate und Jahre genug effektive Sätze des Beugebewegungsmusters machst. 

 

Es gibt keine magischen oder geheimen Übungen.

 

Das gilt insbesondere für Werbebegriffe wie 'Tiefenmuskulatur', die in der Fitnessbranche gern als etwas mystisches und neu entdecktes verkauft wird. Die sagenumwobene Tiefenmuskulatur kann selbstverständlich nur mit ganz besonders innovativen und teuren Geräten trainiert werden.

 

Wie die Tiefenmuskulatur die letzten 90 Millionen Jahre Evolution überstanden hat, obwohl sie erst seit wenigen Jahren benutzt und trainiert werden kann, ist leider nicht abschließend geklärt. Man kann in diesem Zusammenhang nur von einem Wunder ausgehen. Kein Wunder ist leider, dass in der Fitnessbranche mit so einem Bullshit jede Menge Umsatz generiert wird.

 

Tatsächlich ist ein Tiefenmuskel einfach nur ein Muskel, der, wenn man den menschlichen Körper von außen betrachtet, unter einem anderen Muskel liegt und deswegen nicht direkt unter der Haut sichtbar ist. Wow - it's magic!

 

Tiefenmuskeln funktionieren genau so wie die darüberliegenden Muskeln und arbeiten bei allen Bewegungsmustern mit der oberflächig liegenden Muskulatur zusammen, um Gelenke und Knochen zu bewegen und zu stabilisieren.

 

Es ist leicht, sich beim Thema Trainingsplanung von Internet und Social Media verwirren zu lassen.

 

Harte, konsistente Arbeit ist nicht sexy und generiert wenig Klicks. Niemand will die fünfzig Sätze Kniebeuge sehen, die eine Weltklassegewichtheberin Woche für Woche trainiert. Das würde den Eindruck vermitteln, dass extrem voluminöses und mental hartes Training und ein extremer Zeitaufwand nötig ist, um eine extreme Leistung und den damit verbundenen Körper zu erreichen. Nicht sexy. 

 

Viel interessanter sind die geheimen Spezialübungen, die dir innerhalb von sechs Wochen den Durchbruch zum Sixpack, 50 cm Armen oder einem doppelt so großen Po verschaffen. Die gute Nachricht ist, dass es genügt, den Fokus auf den wesentlichen Grundprinzipien zu behalten, um nicht in diesem Sumpf aus Bullshit zu versinken. Sobald man erkannt hat, dass 99% des in der Fitnessbranche produzierten Contents Bullshit ist, spart man eine ganze Menge Zeit.

Variation des Wiederholungsbereichs

Da grob betrachtet alle Sätze mit 5 bis 15 Wiederholungen für Muskelaufbau effektiv sind, kannst du die Wiederholungszahlen von Woche zu Woche oder auch innerhalb einer Woche variieren:

  • Woche Eins - 15 Wiederholungen
  • Woche Zwei - 10 Wiederholungen
  • Woche Drei - 5 Wiederholungen

oder

  • Montag - 15 Wiederholungen
  • Mittwoch - 10 Wiederholungen
  • Freitag - 5 Wiederholungen

 

Die aktuelle Studienlage zeigt, dass beide Modelle in etwa die gleichen Erfolge liefern, was in Anbetracht der geltenden Grundprinzipien nicht verwunderlich ist. [2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 12]

 

Wenn du für dich persönlich bereits experimentiert und herausgefunden hast, dass höhere Wiederholungsbereiche dir körperlich oder mental eher liegen, dann könntest du deine Wiederholungszahlen beispielsweise zwischen 9, 12 und 15 abwechseln. Wenn dir hingegen eine höhere Intensität eher liegt, könntest du 5, 7, und 9 abwechseln.

 

Auch an dieser Methode ist nichts magisches, sie funktioniert wie alle anderen Methoden über die Gesamtarbeit in Form von effektiven Sätzen pro Woche. Dass mehr Variation für die meisten Lifter etwas bessere Ergebnisse liefert als über Monate in jedem Training im gleichen Wiederholungsbereich zu trainieren liegt einfach nur daran, dass Eintönigkeit die Motivation verringert. 

 

Ein langweiliger Trainingsplan wird auf Dauer immer zu schlechteren Ergebnissen führen als eine Trainingsplanung, die dir Spaß macht.

 

Darüber hinaus profitierst du mit mehr Variation von einer nützlichen Illusion: Du stellst gefühlt häufiger persönliche Bestleistungen auf.

  • Wenn du jedes mal mit fünf Wiederholungen trainierst, dann stellst du gefühlt immer nur eine neue persönliche Bestleistung auf, wenn du das Gewicht in einer Übung steigern kannst.
  • Wenn du in drei unterschiedlichen Wiederholungsbereichen trainierst, dann stellst du in der gleichen Übung Montags eine persönliche Bestleistung für fünf Wiederholungen, Mittwochs für sieben und Freitags für neun Wiederholungen auf. Das sind gefühlt drei neue Bestleistungen.

Rational betrachtet bist du natürlich nur einmal stärker geworden - nicht dreimal. Emotional kann diese Illusion aber deine Motivation steigern.

Flexible Trainingsplanung

Viele erfahrene Lifter, die schon Jahre dabei sind, wechseln aus Motivationsgründen irgendwann nach und nach von einer festen zu einer flexiblen Trainingsplanung.

 

Es steht dann beispielsweise nicht 'Lowbar Squat 5x8' im Plan, sondern '5 Sätze Beugen'. Welche Beugeübung und in welchem Wiederholungsbereich dann in dieser Session tatsächlich gemacht wird, entscheidet der Lifter nach Motivation am jeweiligen Tag.

 

Das kann auch noch einen Schritt weitergehen, so dass im Plan lediglich steht '10 Sätze Beugen pro Woche'. Der Lifter entscheidet dann eigenständig, ob er in dem jeweiligen Training überhaupt beugt und wenn ja wie viele Sätze, welcher Übung und in welchem Wiederholungsbereich. Entscheidend ist nur, dass es effektive Sätze sind.

 

Flexible Trainingsplanung steigert für viele Lifter nachweislich die Motivation und Adherence. [11, 13]

 

Diese Herangehensweise funktioniert deshalb, weil das Volumen für den Erfolg im Training so viel wichtiger ist als alle anderen Faktoren. Insbesondere für fortgeschrittene Lifter macht die Motivation, möglichst viele Sätze pro Woche zu trainieren, viel mehr aus als ob beispielsweise mit fünf oder fünfzehn Wiederholungen trainiert wird oder Lowbar oder Frontkniebeuge gemacht wird. 

 

Für Einsteiger empfiehlt sich diese Herangehensweise aus mehreren Gründen nicht:

  • Es werden noch nicht alle Übungen beherrscht.
  • Für langfristigen Erfolg haben für Einsteiger die Basics Priorität.
  • Selbstwahrnehmung und Erschöpfungsmanagement werden noch nicht ausreichend beherrscht.

 

Einsteiger sollten allerdings noch keine flexible Trainingsplanung brauchen. Der Hauptgrund für diese Art der Trainingsplanung ist die Steigerung der Motivation. Einsteiger müssen von ihrem Coach in aller Regel davon abgehalten werden, zu viel und zu schwer zu trainieren und nicht dazu überredet werden, überhaupt zu trainieren.

 

Ein Einsteiger der schon Motivationsprobleme hat, wird diesen Guide nicht bis zum letzten Teil verfolgt haben, sondern allenfalls als Karteileiche in einer der großen Ketten dafür sorgen, dass die Fitnessstudiobeiträge für motivierte Lifter günstig bleiben.  

Spezialisierung

Wenn du an Wettkämpfen in einer bestimmten Sportart wie Powerlifting teilnehmen möchtest kannst du nicht so viel Variation in dein Training einbauen wie du möchtest, weil du damit das Prinzip der Spezialisierung verletzen würdest.

 

Als Powerlifter sollte dein Training zu über 80% aus deinen Wettkampfübungen Kniebeuge, Bankdrücken und Kreuzheben bestehen. Auch kannst du nicht frei in allen Wiederholungsbereichen trainieren. Der Großteil deines Trainings sollte im Bereich 3-7 Wiederholungen stattfinden. Ebenfalls sollten Singles standardmäßig in deinem Plan stehen.

 

In der Offseason, wenn der nächste Wettkampf noch länger als ein halbes Jahr entfernt liegt, bist du aber selbst als Wettkämpfer frei. In diesen Phasen steht auch für Powerlifter allein der Spaß im Vordergrund und wenn das für dich mehr Variation bedeutet, solltest du dir davon in diesen Zeiten so viel wie möglich gönnen - deine Routine wird früh genug wieder extrem eintönig werden.

Periodisierung

Periodisierung ist eine weitere Form, Abwechslung in dein Training zu bringen. Dabei wechselt der Plan von Woche zu Woche oder von Monat zu Monat. Meist wird einfach nur der Wiederholungsbereich verändert.

 

Du trainierst dann beispielsweise alle Übungen im Plan einen Monat lang mit fünf Wiederholungen pro Satz, gefolgt von einem Monat mit sieben Wiederholungen, gefolgt von einem Monat neun Wiederholungen.

 

Periodisierung wird im Internet seit Ewigkeiten als das Nonplusultra der Trainingsplanung im Kraftsport verkauft. Dafür gibt es zwei Gründe:

  • Coaches können behaupten, dass Periodisierung (a) essentiell für Erfolg im Training ist und (b) so kompliziert, dass man auf jeden Fall einen Coach dafür bezahlen muss.
  • Die Vorteile der Periodisierung sind vermeintlich wissenschaftlich belegt. 

 

Die Studienlage zeigt, dass periodisierte Programme für Muskelaufbau keine besseren Ergebnisse liefern als nicht periodisierte Programme, wenn das Volumen in allen Gruppen gleich gehalten wird. [14, 15, 16] Die Grundprinzipien gelten selbstverständlich weiterhin.

 

Das Gleiche gilt für unterschiedliche Periodisierungsmodelle untereinander: Solange die gleiche Menge an Trainingsarbeit in Form von Arbeitssätzen pro Woche verrichtet wird, werden die gleichen Ergebnisse erzielt. [17]

 

Dass Periodisierung in weiten Teilen der Branche immer noch als essentiell betrachtet wird, liegt an zwei Hauptgründen, die sich bei genauerer Betrachtung als nicht haltbar erweisen. 

Grund 1 - Olympiaerfolg der Sowjetunion von 1956

Die Sowjetunion hat in der Olympiade 1956 knapp ein Viertel der Goldmedaillen gewonnen. Die Trainingspläne der Athleten waren periodisiert, was damals neu war und daraufhin von nahezu allen anderen Staaten kopiert wurde.

 

Der wahre Grund für diesen Erfolg dürfte aber das staatlich finanzierte und gesteuerte Dopingprogramm sein, das später aufflog. Denn obwohl alle anderen Staaten ab 1956 ebenfalls periodisierte Trainingsprogramme einsetzten holte die Sowjetunion bei den Olympiaden 1960 und 1964 jeweils wieder ein Viertel der Goldmedaillen. [18, 19]

Grund 2 - Die Forschung übersieht das Prinzip der Spezialisierung

Eine Metaanalyse von 2017 fand vermeintlich heraus, dass periodisierte Trainingsprogramme im Vergleich zu nicht-periodisierten Trainingsprogrammen eine stärkere Verbesserung der Kraftleistung im 1RM Test zur Folge hätten.  [20, 21, 22]

 

Bei genauer Betrachtung wird aber deutlich, dass diese Metaanalyse nur belegte, was schon längst alle wussten: Wettkampfspezifisches Training liefert bessere Wettkampfergebnisse.

 

Die Probanden, deren Training periodisiert wurde, trainierten zu Beginn der Studie mit höheren Wiederholungen (10-15) und zum Ende der Studie mit niedrigen Wiederholungen (2-6). Die nicht-periodisierten Gruppen trainierten ausschließlich in höheren Wiederholungsbereich (8-12).

 

Am Ende der Studie wurde die Kraft mit einem 1RM getestet, das heißt, es wurde eine einzige schwere Wiederholung getestet. Obwohl in beiden Gruppen der gleiche Muskelaufbau verzeichnet wurde, schnitt die periodisierte Gruppe im Krafttest besser ab.

 

Ein Trainingsplan, mit dem zumindest teilweise im Bereich drei bis fünf Wiederholungen trainiert wird, ist besser geeignet die 1RM Leistung zu erhöhen als ein Trainingsplan bei dem ausschließlich mehr als acht Wiederholungen trainiert werden. Das ist keine Magie. Mit einem Powerlifting spezifischen Programm, das vermehrt Volumen im Bereich 1-3 Wiederholungen aufweist wären noch deutlich bessere Ergebnisse erzielt worden.

Fazit

Periodisiertes Training bringt gegenüber nicht-periodisiertem Training keine nachweisbaren Vorteile. Du kannst Periodisierung in deine Planung einbauen, wenn es dir persönlich Spaß macht und dabei hilft, Eintönigkeit im Training zu vermeiden, notwendig ist das aber nicht.

Deload

Deloads sind Trainingsphasen in denen die Belastung und somit die Erschöpfung vorübergehend drastisch reduziert wird. Diese Phasen sind meist auf ein bis zwei Wochen beschränkt. [23, 24] 

 

Deloads garantieren Rückschritte im Training.

 

Diese Grafik zeigt was während einer Deloadphase passiert: Wenn du deine Trainingsbelastung verringerst, dann verringerst du damit auch deine Erschöpfung.

 

Wenn du weniger trainierst, verringert sich selbstverständlich deine potentielle Leistung im Training. Anders ausgedrückt: Du machst Rückschritte. Das ist auf Basis der Grundprinzipien, die in diesem Guide erläutert wurden, nicht verwunderlich.

 

Der zweite Effekt ist der interessantere: Du merkst von diesen Rückschritten zunächst überhaupt nichts - im Gegenteil.

 

Deine Erschöpfung fällt schneller ab als deine potentielle Leistungsfähigkeit. Dadurch kannst du kurzfristig einen größeren Teil deines Leistungspotentials tatsächlich abrufen. Du kannst du also für kurze Zeit, beispielsweise auf einem Wettkampf, mehr Leistung präsentieren, obwohl du langfristig gesehen deine Trainingsfortschritte behinderst.

 

Diesen Effekt bezeichnet man im Wettkampfkraftsport als Peaking. Wettkämpfer reduzieren in den letzten Wochen vor ihrem Wettkampf ihre Trainingsbelastung drastisch, um Erschöpfung abzubauen und am Wettkampftag die maximale Leistung abrufen zu können. Nach dem Wettkampf kehren sie zu ihrem alten Training zurück und haben zunächst sogar wieder Muskelkater, weil ihre potentielle Leistungsfähigkeit infolge des Deloads abgefallen ist.

 

Den Effekt kann man anschaulich beobachten, wenn man mehrere Wochen in den Urlaub fährt und in dieser Zeit nicht trainiert. Beim ersten Training nach dem Urlaub bewegt man deutlich mehr Gewicht in allen Übungen, hat danach aber drei Tage Muskelkater und schafft weniger Sätze pro Woche

Das große Missverständnis

Deloads als Mittel für langfristige Trainingsfortschritte einsetzen zu wollen, ist absurd. Jede Deloadphase kostet Fortschritte und damit wertvolle Zeit. Deswegen peaken selbst Wettkämpfer nicht für jedes Event, sondern nur für die ein bis maximal zwei wichtigsten Wettkämpfe im Jahr.

 

Trotzdem werden Deloads überall im Internet als nützliches oder sogar notwendiges Trainingswerkzeug empfohlen, dass man regelmäßig einsetzen sollte. Diese Empfehlung wird damit begründet, dass der Körper fortgeschrittener Lifter nur im Deload die Erholung bekäme, die er braucht, um sich anzupassen.

 

Dass du nach dem Deload kurzfristig stärker ins Training zurückkommst, wird falsch interpretiert. Die Lifter und Coaches die für regelmäßige Deloads werben, erkennen nicht, dass einfach nur kurzfristig Erschöpfung reduziert wurde, auf Kosten langfristiger Fortschritte. Stattdessen gehen sie davon aus, dass der Körper im Deload adaptiert ist, also nachhaltig stärker geworden ist. Das ist Unsinn.

 

Tatsächlich passt sich der menschliche Körper ständig an Belastungen an, er muss dafür nicht immer wieder den Trainingsfluss vollständig unterbrechen. Er braucht dafür nicht mal den berüchtigten Tag Pause nach jedem Training. Wie schon in Teil 5 des Guides ausführlich erläutert wurde: Profisportler in allen Kraftsportarten trainieren täglich - ohne regelmäßige Deloadphasen.

 

 

Die Verfechter von Deloads erliegen einem entscheidenden Missverständnis: Sie gehen davon aus, dass fortgeschrittene Sportler mehr Erholung benötigen, um weiter Fortschritte zu machen. Das ist absurd - genau das Gegenteil ist der Fall.

 

Du brauchst nicht mehr Erholung, sondern mehr Belastung.

 

Alle Fortschritte eines Trainingseinsteigers resultierten aus langsam stetig ansteigender Belastung und daran ändert sich auch als fortgeschrittener Lifter absolut nichts. Fitness ist Belastungswiderstand. Je fitter du wirst, desto mehr Belastung brauchst du, um wieder so erschöpft zu sein, dass dein Körper sich noch einmal hin zu mehr Belastungswiderstand anpasst. Wenn du so erholt wie möglich in jedes Training gehen willst, dann wirst du über Jahre auf der Stelle treten.

 

Die Idee, dass du mehr Erholung benötigst, wenn deine Fortschritte stagnieren scheint den meisten Liftern, die sich ohne Coach durch ein Einsteigerprogramm gequält haben, durchaus plausibel. 

 

Das Problem ist, dass die Einsteigerprogramme nur einen Weg vorgeben, Fortschritte zu machen: Das Trainingsgewicht in jeder Session um 2,5 kg erhöhen. Du weißt bereits, dass das langfristig nicht funktionieren kann, da Intensität auf eine Wiederholung und Anstrengung auf null Wiederholungen im Tank gedeckelt sind.

 

Wenn diese Methode einfach nur nicht funktionieren würde, wäre das noch nicht so schlimm. Es ist aber körperlich und mental auslaugend, längere Zeit mit T0-1 zu trainieren. Wer schon einmal das Ende eines Einsteigerprogrammes ohne Coach erlebt hat, kann sich unmöglich vorstellen, dass die Trainingsbelastung in dieser Phase zu gering ist.

 

Wenn du mehrmals pro Woche Kniebeugen bis zum Muskelversagen machst, fühlt sich schon  die erste Wiederholung des ersten Satzes so schwer an, dass korrekte Technik kaum noch möglich ist. Jeder Satz erfordert maximale Konzentration. Um das überhaupt leisten zu können, sind teilweise mehr als 10 Minuten Pause nach jedem einzelnen Satz notwendig. Das Training zieht sich so endlos in die Länge, obwohl eigentlich sehr wenig Sätze trainiert werden.

 

Nicht wenige fallen in dieser Phase in ein Motivationstief, weil sie vor jedem einzelnen Satz Kniebeuge die berechtigte Angst verspüren, in der letzten Wiederholung nicht mehr nach oben zu kommen. Die Erschöpfung ist in dieser Phase definitv im roten Bereich.

 

Wenn ein Lifter in so einer Phase zum ersten mal von Deloadphasen hört und sich nach ein bis zwei Wochen ohne Training körperlich und mental besser fühlt und für sehr kurze Zeit wieder mehr leisten kann, ist der Grundstein für jahrelange Verwirrung gelegt. Das Ziel muss sein, sinnvoll zu trainieren anstatt ständig Deloads machen zu müssen.

»Aber ich bin regelmäßig so erschöpft, dass ich Deloads brauche!«

Wenn du als fortgeschrittener Lifter in deinem Training regelmäßig Deloadphasen benötigst ist das ein klares Anzeichen dafür, dass deine Trainingsplanung nicht funktioniert. 

 

Wenn du sinnvoll trainierst steigt deine potentielle Leistungsfähigkeit langsam stetig an. Du wirst immer fitter, dein Belastungswiderstand erhöht sich und du bist von der gleichen Trainingsbelastung immer weniger erschöpft. Deswegen muss deine Trainingsbelastung in regelmäßigen Schritten immer weiter steigen. Aber eben nur in sehr kleinen Schritten, da dein Körper sich über sehr lange Zeit in sehr kleinen Schritten anpasst.

 

 

Wenn du ständig zu erschöpft bist und Deloads brauchst, ist das ein klarer Indikator dafür, dass deine Trainingsbelastung zu hoch ist. Das heißt, du hast die Belastung schneller gesteigert als dein Körper sich anpassen konnte. Der Grund dafür ist normalerweise Ungeduld - zu viel in zu kurzer Zeit wollen. Aus dieser Falle führt nur ein Weg hinaus:

  • Belastung auf ein effektives Niveau reduzieren
  • Erschöpfungsmanagement Skills verbessern
  • Geduld üben

Wann sind Deloads sinnvoll?

Auch wenn Deloads nicht regelmäßig und schon gar nicht geplant in deinem Training vorkommen sollten haben sie zwei nützliche Funktionen.

 

Funktion 1 - Notbremse

Von Zeit zu Zeit kann es den Besten passieren. Du hast es übertrieben und dich in ein Loch trainiert. Spätestens wenn deine Erschöpfung den roten Bereich erreicht hat, kommst du um einen Deload nicht mehr herum.

 

Natürlich ist das Ziel, zu hohe Level an Erschöpfung präventiv zu vermeiden - aber wenn das Kind erst mal in den Brunnen gefallen ist kommt es dort nur mit Hilfe einer Deloadphase wieder hinaus.

 

 

Funktion 2 - Auf trainingsexterne Faktoren reagieren

Dein Training findet nicht im Vakuum statt, sondern im Kontext deines restlichen Lebens. Wenn sich deine alltägliche Stressbelastung durch Faktoren wie Arbeit, Familie oder Menstruationszyklus phasenweise stark erhöht, ist es sinnvoll über diesen Zeitraum deine Trainingsbelastung zu verringern.

Fazit

Wenn du regelmäßig Deloads brauchst ist das ein klarer Indikator für mangelhaftes Erschöpfungsmanagement. Um langfristig Fortschritte zu machen, musst du die Trainingsbelastung langsam stetig steigern, ohne dich durch zu große zu schnelle Schritte in ein Loch zu trainieren.

 

Trotzdem können Deloads in bestimmten Situationen ein nützliches Werkzeug für intelligentes Erschöpfungsmanagement sein. Wenn trainingsexterne Stressfaktoren in dein Leben treten, die du nicht verhindern kannst, oder du dich bereits in ein Loch gearbeitet hast, wirst du um einen Deload nicht herumkommen.

Quellen

[1] Fonseca et al., Changes in exercises are more effective than in loading schemes to improve muscle strength. J Strength Cond Res, 2014.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24832974

 

[2] Klemp et al., Volume-equated high- and low-repetition daily undulating programming strategies produce similar hypertrophy and strength adaptations. Appl Phys, 2018.

https://www.nrcresearchpress.com/doi/abs/10.1139/apnm-2015-0707#citart1

 

[3] Prestes et al., Comparison between linear and daily undulating periodized resistance training to increase strength. J Strength Cond Res, 2009.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19910831

 

[4] Miranda et al., Effects of linear vs. daily undulatory periodized resistance training on maximal and submaximal strength gains. J Strength Cond Res, 2011.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21499134

 

[5] Rhea et al., A Comparison of Linear and Daily Undulating Periodized Programs With Equated Volume and Intensity for Local Muscular Endurance. Jour Str Cond Res, 2003.

https://www.researchgate.net/publication/10905302_A_Comparison_of_Linear_and_Daily_Undulating_Periodized_Programs_With_Equated_Volume_and_Intensity_for_Local_Muscular_Endurance

 

[6] Antretter et al., The Hatfield-system versus the weekly undulating periodised resistance training in trained males, International Journal of Sports Science & Coaching, 2017.

https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/1747954117746457

 

[7] Grgic et al., Effects of linear and daily undulating periodized resistance training programs on measures of muscle hypertrophy: a systematic review and meta-analysis. PeerJ, 2017.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28848690

 

[8] Schoenfeld et al., Effects of Varied Versus Constant Loading Zones on Muscular Adaptations in Trained Men. Int J Sports Med, 2016.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27042999

 

[9] Caldas et al., Traditional vs. Undulating Periodization in the Context of Muscular Strength and Hypertrophy: A Meta-Analysis. Int J Sport Sc, 2016.

http://article.sapub.org/10.5923.j.sports.20160606.04.html

 

[10] Zourdos et al., Novel Resistance Training-Specific Rating of Perceived Exertion Scale Measuring Repetitions in Reserve. J Strength Cond Res. 2016 Jan;30(1):267-75.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26049792

 

[11] McNamara et al., Flexible nonlinear periodization in a beginner college weight training class. J Strength Cond Res. 2010 Jan;24(1):17-22. 

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20042923

 

[12] Colquhoun et al., Comparison of Powerlifting Performance in Trained Men Using Traditional and Flexible Daily Undulating Periodization. J Strength Cond Res. 2017 Feb;31(2):283-291.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28129275

 

[13] Laurent et al., A practical approach to monitoring recovery: development of a perceived recovery status scale. J Strength Cond Res. 2011 Mar;25(3):620-8.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20581704

 

[14] Rhea et al., A meta-analysis of periodized versus nonperiodized strength and power training programs. Res Q Exerc Sport, 2004.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15673040

 

[15] Harries et al., Systematic review and meta-analysis of linear and undulating periodized resistance training programs on muscular strength. J Strength Cond Res, 2015.

https://journals.lww.com/nsca-jscr/Fulltext/2015/04000/Systematic_Review_and_Meta_analysis_of_Linear_and.35.aspx

 

[16] Sylta et al., The Effect of Different High-Intensity Periodization Models on Endurance Adaptations. Med Sci Sports Exerc, 2016.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27300278?dopt=Abstract

 

[17] Coakley et al., Individualised training at different intensities, in untrained participants, results in similar physiological and performance benefits. Jour Sports Science, 2018.

https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/02640414.2017.1346269

 

[18] Kiely, Periodization Theory: Confronting an Inconvenient Truth, Sports Med, 2018.

https://link.springer.com/article/10.1007/s40279-017-0823-y

 

[19] Kiely, Periodization paradigms in the 21st century: evidence-led or tradition-driven? Int J Sports Physiol Perform, 2012.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22356774

 

[20] Afonso et al., Is Empirical Research on Periodization Trustworthy? A Comprehensive Review of Conceptual and Methodological Issues. J Sports Sci Med, 2017.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5358028/

 

[21] Williams et al., Comparison of Periodized and Non-Periodized Resistance Training on Maximal Strength: A Meta-Analysis. Sports Med, 2017.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28497285

 

[22] Grgic et al., Should resistance training programs aimed at muscular hypertrophy be periodized? A systematic review of periodized versus non-periodized approaches. Sc Sports, 2018.

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0765159717302137

 

[23] Busso et al., Fatigue and fitness modelled from the effects of training on performance, Eur J Appl Physiol Occup Physiol. 1994.

https://www.researchgate.net/publication/15242395_Fatigue_and_fitness_modelled_from_the_effects_of_training_on_performance

 

[24] Pritchard et al., Effects and Mechanisms of Tapering in Maximizing Muscular Strength, Strength & Conditioning, 2015.

https://www.researchgate.net/publication/275036701_Effects_and_Mechanisms_of_Tapering_in_Maximizing_Muscular_Strength