~2200 Wörter; 6-9 Minuten Lesezeit.
Autor: Lukas Buschkühl
Wenn du bereits seit einiger Zeit regelmäßig trainieren gehst, wird dir aufgefallen sein, dass es im Training leider nicht immer problemlos bergauf geht. Spätestens wenn dir dein aktueller Trainingsplan über mehrere Wochen keine Fortschritte mehr geliefert hat, ist die Zeit gekommen, den Plan so zu verändern, dass du wieder vorankommst.
Solche Phasen der Stagnation werden im Krafttraining 'Plateau' genannt und treten bei den allermeisten 'Liftern', wie ich in diesem Guide die Vertreter beider Geschlechter nennen werde, die regelmäßig Krafttraining machen, immer und immer wieder auf.
Es gibt grundsätzlich nur zwei Wege, mit denen du diese Plateaus langfristig immer wieder überwinden kannst und dich wirklich von dem Durchschnitt absetzen kannst:
oder
In diesem Guide lernst du, wie du dir einen Trainingsplan erstellst, der
langfristig handfeste Ergebnisse liefert.
Das Problem ist, dass es keinen Trainingsplan gibt, der für immer Ergebnisse liefert. Egal, wie gut dein aktueller Trainingsplan auf dich angepasst und wie gut er zur Zeit funktioniert, du wirst früher oder später stagnieren. Die Praxiserfahrung zeigt, dass dieser Zeitpunkt eher früh als spät kommt. Sobald er gekommen ist, kommst du erst weiter, sobald du verstanden hast, weshalb du stagnierst. Erst dann weißt du, was genau du an deinem Plan ändern musst, um wieder Fortschritte zu machen.
Was dich nicht weiterbringt, sind die schwammigen Erklärungen von selbsternannten Experten aus Internetforen und Trainingspläne aus der Googlesuche, die immer nur für Einsteiger funktionieren und grundsätzlich niemals eine Erklärung mitliefern, weshalb sie überhaupt funktionieren und was du tun musst, sobald sie nicht mehr funktionieren.
In diesem Guide lernst du, was du brauchst, um langfristig voranzukommen: Warum stagniert dein Fortschritt im Training immer wieder und wie durchbrichst du diese Plateaus?
Ich zeige dir, Schritt für Schritt, wie du einen Plan für dich selbst erstellst, der mit absoluter Sicherheit Ergebnisse liefert. Dafür ist egal, ob du Einsteiger, Fortgeschritten oder schon viele, viele Jahre am Eisen bist, denn ein Trainingsplan liefert gezwungenermaßen Fortschritte, wenn er (1) auf deine aktuelle Leistungsfähigkeit, (2) deinen aktuellen Belastungswiderstand und (3) deine aktuellen Ziele angepasst ist.
1 Wo willst du hin? [Finde B]
2 Wo stehst du? [Finde A]
3 Von A nach B kommen [Progression]
4 Erschöpfungsmanagement [Dosierung]
5 Wie häufig trainieren? [Frequenz]
6 Wie viele Wiederholungen? [Intensität]
7 Wie hart trainieren? [Anstrengung]
8 Wie viele Sätze? [Volumen]
9 Welche Übungen? [Selektion]
10 Wie viel Abwechslung? [Variation]
Bei fast allen Trainingsguides, die du im Internet findest, wirst du den folgenden Satz lesen:
»Dieser Guide hätte mir sehr geholfen als ich gerade mit dem Training begonnen hatte.«
Mein Guide ist anders. Er richtet sich nicht an komplette Einsteiger. Noch ein Einsteigerguide wäre überflüssig, weil du davon im Internet inzwischen hunderte findest. Ein funktionierendes Einsteigerprogramm zu finden ist nicht schwer. Denn wenn du wirklich Einsteiger bist, dann wirst du mit so ziemlich jedem Programm, das es da draußen gibt, ein paar Monate lang sehr gute Fortschritte machen.
Der Grund dafür ist, dass Einsteiger (1) ein so geringes Leistungsniveau und (2) einen so geringen Belastungswiderstand haben, dass ihre (3) Ziele nahezu egal sind, weil sie durch jede Art von Training all ihren Fitnesszielen gleichzeitig näher kommen.
Klartext: Wenn jemand, der (1) schwach, übergewichtig und nicht-ausdauernd ist und (2) innerhalb der letzten Jahre hauptsächlich auf der Couch saß, irgendwann von der Couch aufsteht und anfängt, Sport zu machen, dann wird er gleichzeitig (3) Muskeln aufbauen, Fett verlieren, seine Ausdauerleistungsfähigkeit verbessern und etwas für seine Gesundheit tun. Welche Art von Sport dabei gemacht wird ist innerhalb der ersten Monate nahezu egal, weil jede Art von Sport anstrengender ist als auf der Couch liegen.
Deswegen verkaufen sich 10 Wochen Sixpack Programme so gut: Weil jeder Einsteiger innerhalb der ersten 10 Wochen zwangsläufig Fortschritte macht. Nur: Ein Sixpack hat er nach diesen 10 Wochen ganz sicher nicht.
Ich schreibe diesen Guide, weil er mir sehr geholfen hätte, als mein Trainingsfortschritt nach Abschluss eines Einsteigerprogramms (Starting Strength) komplett stagnierte und ich über zwei Jahre lang auf der Stelle trat. Ich stagnierte, obwohl ich vier Mal die Woche trainierte, ohne innerhalb des gesamten Zeitraums auch nur einen einzigen Tag ausfallen zu lassen.
Dieser Guide ist für dich, wenn du (1) regelmäßig trainierst, dich (2) in jedem Training anstrengst und (3) trotzdem nicht weiterkommst. Damit ist dieser Guide bislang ein Unikat. Es gibt unzählige Einsteigerprogramme aber für den langfristigen Trainingserfolg nach der Einsteigerphase gab es bis jetzt keine systematisch strukturierte Anleitung.
Wenn ich mit meinem heutigen Wissen zurückblicke, sahen meine ersten drei Trainingsjahre von außen aus, wie der Versuch, mit möglichst viel Aufwand an Zeit und Energie möglichst wenig Fortschritte zu machen. Ich bin dem Holzweg gefolgt, auf dem sich die meisten Lifter befinden:
Das Problem dieser Methode ist, dass du spätestens nach der zweiten Runde keine nennenswerten Fortschritte mehr machst.
Als ich meine ersten 'Kniebeugen' machte, sofern man meine damaligen Verrenkungen so nennen möchte, schaffte ich 30 kg für fünf Wiederholungen. Selbstverständlich war keine dieser Beugen tief genug, als dass sie auf einem Wettkampf für gültig erklärt worden wäre. Mit der korrekten Tiefe hätte ich vielleicht 25 kg für fünf Wiederholungen geschafft.
Da ich, wie sich herausstellte, genetisch begünstigt für Krafttraining bin, schaffte ich schon etwa zehn Wochen später 80 kg für fünf Wiederholungen. Zu diesem Zeitpunkt beugte ich bereits zumindest mit ausreichender Tiefe, auch wenn die Technik immer noch Lichtjahre davon entfernt war, was für mich heute normal ist.
220% Steigerung in zehn Wochen! Ich war begeistert! Wenn es in diesem Tempo weitergegangen wäre, hätte ich innerhalb weniger Jahre an der Weltmeisterschaft teilnehmen können. So etwas hielt ich in meiner für Einsteiger typischen Naivität natürlich für möglich. Tatsächlich sollte es etwas anders kommen.
Neun Monate später, ziemlich genau ein Jahr nach Trainingsbeginn, beugte ich 87,5 kg für fünf Wiederholungen. Das zog sich noch ein Jahr hin. An manchen Tagen schaffte ich es zwar, bis zu 95 kg für fünf Wiederholungen zu beugen, an anderen Tagen dafür nicht einmal mehr 80 kg. Dabei ist wichtig zu erwähnen, dass es keine einzige Trainingseinheit ausfallen ließ und gefühlt in jeder einzelnen Einheit an mein Limit ging. Ich kann also mit Recht behaupten, dass ich mit erheblichem Aufwand an Zeit und Energie auf der Stelle trat.
Aufgeben war für mich nicht drin, da ich aufgrund eines Bandscheibenvorfalls und der damit verbundenen Schmerzen mit dem Training begonnen hatte und meine Beschwerden zu diesem Zeitpunkt bereits einigermaßen in den Griff bekommen hatte. Weiter auf der Stelle zu treten empfand ich aber als zu frustrierend, also entschied ich, meine Strategie zu ändern.
Von diesem Punkt an investierte ich den Großteil meiner Zeit und Energie darin, herauszuarbeiten, worauf es im Training wirklich ankommt. Meine Hauptfrage lautete:
Wie entsteht eigentlich Fortschritt im Training und was unterscheidet dahingehend effektives Training von nicht-effektivem Training?
Diese Fragen eröffneten hunderte weiterer Fragen. Zwei Jahre später hatte ich schließlich verstanden, worauf es im Training ankommt. Ich beugte nun nicht mehr 85 kg, sondern 185 kg für fünf Wiederholungen. Abgesehen davon beugte ich auch schon lange nicht mehr ausschließlich fünf Wiederholungen pro Satz.
Dass ein auf den Grundprinzipien der Trainingsplanung basierender Guide noch nicht existiert hat viele Gründe. Einer dieser Gründe ist, dass eine ganze Menge wissenschaftliches Arbeiten notwendig war, um den Code zu knacken. Ein 10 Wochen Programm zu schreiben ist im Vergleich dazu nicht weiter schwer, da die Zielgruppe dieser Programme zwangsläufig auch mit dem schlechtesten Trainingsplan Erfolge feiern kann.
Die Wissenschaft hat in der Fitnessbranche keinen einfachen Stand. Das liegt unter anderem daran, dass das alte 'No Pain - No Gain' Motto immer noch fest in den Köpfen verankert ist. Die meisten Lifter sind immer noch der Überzeugung, dass allein harte Arbeit, Blut und Tränen ans Ziel bringen. Ein Stück weit stimmt das auch. Ohne harte Arbeit kommt kein Sportler ans Ziel und tatsächlich kann harte, konsistente Arbeit allein einen ambitionierten Athleten sehr weit bringen. Insbesondere, wenn dieser ambitionierte Athlet die richtigen genetischen Voraussetzungen mitbringt, kann er innerhalb kurzer Zeit ein Level erreichen, auf dem er zwangsläufig von einem kompetenten Coach entdeckt wird.
Der Job des Coaches ist es dann, dafür zu sorgen, dass sein Athlet von diesem Zeitpunkt an nicht mehr nur hart, sondern zusätzlich smart arbeitet. Die Leistungssprünge, die sich immer und immer wieder bei frisch gescouteten Athleten beobachten lassen, belegen, welchen Unterschied es macht, zu wissen, worauf es im Training wirklich ankommt.
Ein Hindernis für interessierte Laien ist der Fakt, dass in der Fitnessbranche oftmals die Athleten im Rampenlicht stehen und nur selten ihre Coaches. Die Athleten selbst haben in der Regel keine sportwissenschaftliche Ausbildung und stellen in Interviews und Instagramposts oft persönliche Anekdoten als gesichertes Wissen dar. Was der Athlet ausprobiert und für gut befunden hat, wird unkritisch weiterempfohlen. Weshalb das gerade im Falle genetischer Lottogewinner, wie es Profisportler nun mal sind, problematisch ist, wird in Teil 2 des Guides erläutert. Unabhängig davon sind sind Anekdoten grundsätzlich aus drei Gründen problematisch:
Liest man Fitnessblogs anstelle von Interviews, sieht die Lage oftmals nicht viel besser aus:
Ein Beispiel für den letztgenannten Punkt ist der Großteil der Studien zum Thema Periodisierung. Ziel dieser Untersuchungen ist, herauszufinden, welchen Einfluss die Abwechslung des Trainings in Phasen unterschiedlicher Wiederholungsbereiche auf den Trainingserfolg hat. Meist kamen die Wissenschaftler dabei zu dem Ergebnis, dass periodisiertes Training im Vergleich zu nicht-periodisiertem Training bessere Kraftzuwächse zur Folge habe. [1]
Schaut man sich das Design der einzelnen Untersuchungen genauer an, entdeckt man ein immer wieder auftauchendes Problem im Studiendesign:
Am Ende der 6 Wochen wird die Kraftleistung beider Gruppen getestet. Die Kraftleistung wird mit einem 1RM, also einer einzelnen, maximal schweren Wiederholung getestet. Gruppe B schneidet im Krafttest besser ab. Es wird geschlussfolgert, dass periodisiertes Training für die Erhöhung der Kraftleistung besser geeignet ist als nicht-periodisiertes Training.
Das Problem dabei ist, dass Spezifität ein Grundprinzip des Trainingserfolgs ist. Du schneidest in einem Test besser ab, je ähnlicher die Aktivitäten, die du während deiner Vorbereitung auf den Test ausführt hast, den im Test geprüften Aktivitäten sind.
Vier Wiederholungen sind näher an der einen getesteten Wiederholung des 1RM Test als acht Wiederholungen. Deswegen haben die Probanden in Gruppe B, deren Training periodisiert war, besser abgeschnitten. Wären statt einer Wiederholung acht Wiederholungen getestet worden, hätte Gruppe A besser abgeschnitten. Hätte Gruppe A mit drei Wiederholungen, statt mit acht Wiederholungen trainiert, hätte sie beim 1RM Test ebenfalls besser abgeschnitten als Gruppe B. Wer bei seiner Arbeit entscheidende Grundprinzipien übersieht, braucht nicht darauf zu hoffen, zu identifizieren, worauf es im Training wirklich ankommt.
Oftmals lohnt es sich auch finanziell, Studienergebnisse gezielt falsch darzustellen. Zum Einen, um Klicks durch reißerische Überschriften zu generieren und zum Anderen, um Produkte zu verkaufen. Drei Studien stellten beispielsweise fest, dass Probanden mit Supplementierung von Citrulline-Malat etwa 10-18% mehr Wiederholungen bei einer Übung ausführen konnten als ohne. [2, 3, 4] Das Internet explodierte daraufhin mit Artikeln, die diese Studien zitierten, um zu behaupten, dass Citrulline-Malat eine mindestens genau so starke Wirkung auf den Trainingserfolg habe wie anabole Steroide.
Auf die ersten drei Studien folgten fünf Studien, die keine erhöhte Leistungsfähigkeit nachweisen konnten. [5, 6, 7, 8, 9] Über diese fünf Studien fand man im Internet selbstverständlich nahezu keine Artikel.
Und schon gar keine Informationen fand man dazu, dass Nitrat, der Wirkstoff in Citrulline-Malat, in allen Blatt-, Kohl- und Wurzelgemüsen enthalten ist und der Verzehr dieser Lebensmittel in zwei Studien genau die gleichen Effekte hatte, wie die Supplementierung mit Citrulline-Malat. [10, 11]
Dieser Guide wird immer wieder überarbeitet, sobald neue, relevante Studienergebnisse veröffentlich werden.
Ich wünsche dir viel Spaß beim Lesen und viel Erfolg bei der Anwendung.
[1] Williams, Tolusso, Fedewa, Esco (2017). Comparison of Periodized and Non-Periodized Resistance Training on Maximal Strength: A Meta-Analysis. Sports Med., Vol. 47(10), S. 2083-2100.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28497285
[2] Wax et al., Effects of Supplemental Citrulline-Malate Ingestion on Blood Lactate, Cardiovascular Dynamics, and Resistance Exercise Performance in Trained Males. J Diet Suppl. 2016;13(3):269-82.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25674699
[3] Wax et al., Effects of supplemental citrulline malate ingestion during repeated bouts of lower-body exercise in advanced weightlifters. J Strength Cond Res. 2015 Mar;29(3):786-92.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25226311
[4] Glenn et al., Acute citrulline malate supplementation improves upper- and lower-body submaximal weightlifting exercise performance in resistance-trained females. Eur J Nutr. 2017 Mar;56(2):775-784.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26658899
[5] Gonzalez et al., Acute Effect of Citrulline Malate Supplementation on Upper-Body Resistance Exercise Performance in Recreationally Resistance-Trained Men. J Strength Cond Res. 2018 Nov;32(11):3088-3094.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29210953
[6] Cutrufello et al., The effect of l-citrulline and watermelon juice supplementation on anaerobic and aerobic exercise performance. J Sports Sci. 2015;33(14):1459-66.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25517106
[7] Farney et al., The Effect of Citrulline Malate Supplementation on Muscle Fatigue Among Healthy Participants. J Strength Cond Res. 2019 Sep;33(9):2464-2470.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29176388
[8] Chappell et al., Citrulline malate supplementation does not improve German Volume Training performance or reduce muscle soreness in moderately trained males and females. J Int Soc Sports Nutr. 2018; 15: 42.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6086018/
[9] Da Silva et al., Citrulline Malate Does Not Improve Muscle Recovery after Resistance Exercise in Untrained Young Adult Men. Nutrients. 2017 Oct; 9(10): 1132.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5691748/
[10] Coggan et al., Acute Dietary Nitrate Intake Improves Muscle Contractile Function in Patients with Heart Failure: A Double-Blind, Placebo-Controlled, Randomized Trial. Circ Heart Fail. 2015 Sep; 8(5): 914–920.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4573847/
[11] Coggan et al., Effect of acute dietary nitrate intake on maximal knee extensor speed and power in healthy men and women. Nitric Oxide. 2015 Aug 1; 48: 16–21.