Wie du mit dem Sättigungsindex deine Ernährungsziele erreichst

~1100 Wörter; 6 Minuten Lesezeit.

Autor: Lukas Buschkühl

Zusammenfassung

  • Den Sättigungsindex von Lebensmitteln zu verstehen und gezielt einzusetzen, wird dir ganz erheblich dabei helfen, deine Ernährungsziele zu erreichen und zu halten.
  • Wenn du abnehmen möchtest, solltest du Mahlzeiten mit einem möglichst hohen Sättigungsfaktor essen.
  • Wenn du zunehmen möchtest, solltest du Mahlzeiten mit einem möglichst niedrigen Sättigungsfaktor essen. 
  • Der Sättigungsfaktor ein und der selben Lebensmittel unterscheidet sich von Mensch zu Mensch drastisch.
  • Experimentiere mit verschiedenen Lebensmitteln und Mahlzeiten und finde heraus, welche Kombinationen für dich und deine Ziele am besten funktionieren.

Was ist der Sättigungsindex?

Egal, ob du versuchst abzunehmen oder zuzunehmen, der Sättigungsindex von Lebensmitteln spielt eine entscheidende Rolle. Was genau ist der Sättigungsfaktor, und wie kannst du ihn nutzen, um deine Ziele zu erreichen?

 

Der Sättigungsindex eines Lebensmittels, beziehungsweise einer Mahlzeit, beschreibt, wie satt du dich nach dem Verzehr fühlst und wie lange das Sättigungsgefühl anhält. Ein hoher Sättigungsfaktor bedeutet, dass du dich länger satt fühlst und es dir dadurch leichter fällt, weniger Kalorien zu dir zu nehmen.

Warum ist der Sättigungsindex wichtig?

Der Sättigungsindex von Lebensmitteln und Mahlzeiten wird bei der Planung einer Diät oder Ernährungsumstellung meist übersehen, obwohl er das wichtigste Werkzeug ist, wenn es um den langfristigen Erfolg geht. [1] 

  • Wenn du abnehmen und ein niedrigeres Körpergewicht halten möchtest, ist Hunger dein Feind.
  • Wenn du zunehmen und ein höheres Körpergewicht halten möchtest, ist Völlegefühl dein Feind.

Willenskraft ist eine nachwachsende, aber endliche Ressource. [2, 3, 4] Immer wenn du leckeres Essen siehst, riechst oder davon hörst, egal ob im realen Leben oder in der Werbung, wird ein sofortiges Verlangen ausgelöst. Die Belohnungsmechanismen im Gehirn werden aktiviert und steigern deinen Appetit. Dieser Versuchung zu widerstehen, erfordert Willenskraft. 

 

Wenn du in den letzten Stunden und Tagen bereits vielen Versuchungen widerstehen musstest, dann ist deine Willenskraft erschöpft und es wird immer schwerer, weiteren Versuchungen zu widerstehen. Da es heutzutage kaum möglich ist, Werbung und ähnlichen Reizen vollständig aus dem Weg zu gehen, wird deine Willenskraft ständig gefordert und aufgebraucht.

 

Es gibt viele Faktoren, die die Willenskraft schwächen. Sehr einflussreiche Faktoren sind beispielsweise Stress, Schlafmangel und genetische Disposition. Doch der stärkste Faktor, wenn es darum geht, eine Diät oder Ernährungsumstellung durchzuziehen, ist und bleiben Hunger und Völlegefühl.

 

Wenn du dich ständig überwinden musst, weiterzuessen, obwohl du satt bist, oder nicht zu essen, obwohl du hungrig bist, stellt sich früher oder später eine Erschöpfung ein und du fällst in die alten Muster zurück. So entsteht der Jojo-Effekt.

  • Wenn du ständig hungrig bist, wird deine Ernährungsumstellung mit dem Ziel, abzunehmen, früher oder später scheitern.
  • Wenn du ständig satt bist, wird deine Ernährungsumstellung mit dem Ziel, zuzunehmen, früher oder später scheitern.
  • Wenn du abnehmen möchtest, solltest du Mahlzeiten mit einem möglichst hohen Sättigungsfaktor essen.
  • Wenn du zunehmen möchtest, solltest du Mahlzeiten mit einem möglichst niedrigen Sättigungsfaktor essen. 

Welche Faktoren beeinflussen den Sättigungsindex?

Es gibt viele Faktoren, die den Sättigungsindex beeinflussen.

Ballaststoffe

Lebensmittel, die reich an Ballaststoffen sind, wie Vollkornprodukte, Gemüse und Obst, haben einen hohen Sättigungsfaktor. Ballaststoffe verlangsamen die Verdauung und helfen dabei, das Sättigungsgefühl länger aufrechtzuerhalten.

Eiweiß

Proteinreiche Lebensmittel wie Fleisch, Fisch, Eier und Soja sorgen für eine länger anhaltende Sättigung. Protein hat eine Wirkung auf die Sättigungshormone und hilft so, den Appetit zu kontrollieren.

Fett

Fettige Lebensmittel halten in der Regel länger satt als Lebensmittel mit einem hohen Anteil an Kohlenhydraten.

Energiedichte

Lebensmittel mit hohem Wassergehalt, wie Obst und Gemüse, haben meist eine geringe Energiedichte, also wenig Energie (kcal) auf ein Gewicht von 100g. Sie füllen den Magen und liefern dabei relativ wenige Kalorien, was zur Sättigung beitragen kann.

Langkettige Kohlenhydrate

Lebensmittel mit einem hohen glykämischen Index, also viel kurzkettigen Kohlenhydraten wie beispielsweise Zucker, sättigen kaum. [5,6] Besser sättigende Kohlenhydratquellen sind Lebensmittel, die langkettige Kohlenhydrate aufweisen, wie beispielsweise Haferflocken.

 

Aus diesem Grund wirken verarbeitete Lebensmittel in der Regel weniger sättigend als naturbelassene Lebensmittel, da verarbeiteten Lebensmitteln fast immer Zucker und Geschmacksverstärker hinzugefügt werden. [6] Das gilt allerdings nicht für verarbeitete Lebensmittel ohne Zuckerzusatz, wie beispielsweise Eiweißpulver oder Eiweißriegel ohne Zucker. 

Abwechslung

Je mehr Abwechslung eine Mahlzeit bietet, desto mehr Kalorien kann ein Mensch zu sich nehmen, bevor die Sättigung einsetzt. Das ist der Grund dafür, dass die meisten Menschen an einem Buffet zu viel essen und weshalb ein Dessert immer noch reinpasst, selbst wenn man nach der Hauptmahlzeit schon völlig satt war.

Wenn du ohne Hunger abnehmen möchtest, ist es sinnvoll, deine Mahlzeiten so zu gestalten, dass sie nicht mehr als drei Zutaten beinhalten.

Geschmack

Untersuchungen haben immer wieder gezeigt: Je besser ein Lebensmittel oder eine Mahlzeit schmeckt, desto mehr Kalorien wirst du davon essen, bevor sich dein Sättigungseffekt einstellt.

Ketose

Ketose ist ebenfalls ein Faktor, der die Sättigung stark erhöhen kann. [8,9] Der Körper geht in die Ketose über, wenn über längere Zeit keine oder nur sehr wenig Kohlenhydrate konsumiert werden. Eine genauere Beschreibung der Ketose und ketogenen Ernährung würde in diesem Artikel den Rahmen sprengen.

Sättigung ist individuell

Holt et al. stellten in einer 1995 durchgeführten Studie diese klassische Tabelle zum Sättigungsindex auf [10]:

Holt et al.

Bevor du nun diese Tabelle für deinen nächsten Wocheneinkauf abfotografierst, solltest du wissen, dass sie für dich und deine persönlichen Ziele nicht wirklich relevant ist.

 

Denn schaut man sich diese und die vielen seit 1995 durchgeführten Untersuchungen zur Bestimmung des Sättigungsindexes genauer an, so fällt auf, dass es erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Probanden gibt und die Sättigungsfaktoren aus dem vorherigen Abschnitt dieses Artikels nicht mehr als grobe Richtlinien sind. [11]

 

Manche Menschen bleiben von 1.000 kcal Haferflocken den ganzen Tag lang satt, während andere Menschen nach 2 Stunden wieder hungrig, oder gar nicht erst gesättigt sind. Manche Lebensmittel, wie beispielsweise Magerquark, die anhand der im vorigen Abschnitt genannten Faktoren eigentlich lange satt halten sollten, haben bei vielen Menschen kaum einen sättigenden Effekt.

 

Du findest überall im Internet Listen mit Mahlzeiten, die zum Abnehmen empfohlen werden. Ein paar klassische Beispiele:

  • Haferflocken mit Früchten und Nüssen
  • Rührei mit Gemüse
  • Salat mit Hähnchenbrust und Avocado
  • Quinoa-Bowl mit Gemüse und Bohnen
  • Fisch mit Brokkoli und Süßkartoffeln
  • Gemüsesuppe mit Linsen

 

Als Inspiration sind Diätrezepte sicherlich immer eine gute Sache. Sie ersetzen aber nicht deine individuelle Bewertung. Dafür solltest du für dich selbst dokumentieren und auswerten, also deine ganz persönliche Sättigungsindextabelle erstellen. Diese kann zum Beispiel so aussehen:

  • Notiere nicht die Menge in Gramm, die du von einem Lebensmittel gegessen hast, sondern die Menge an Energie in Kalorien.
  • Notiere, wie satt du dich direkt nach der Mahlzeit fühlst, wie satt du zwei Stunden nach der Mahlzeit noch bist und wann du wieder Hunger bekommst.
  • Über die Zeit gleichst du unterschiedliche Lebensmittel und Mahlzeiten mit anderen ab und ordnest sie in eine Tabelle ein.

Dann weißt du, welche Lebensmittel dich lange satt halten und so das Abnehmen leicht machen und welche Lebensmittel dich gar nicht sättigen und dir so das Zunehmen leicht machen.

 

Viel Erfolg!

Quellen

[1] Fillon A, Beaulieu K, Mathieu ME, Tremblay A, Boirie Y, Drapeau V, Thivel D. A systematic review of the use of the Satiety Quotient. Br J Nutr. 2021 Jan 28;125(2):212-239. doi: 10.1017/S0007114520002457. Epub 2020 Jul 3. PMID: 32616106.

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32616106/

 

[2] Schweitzer DR, Baumeister R, Laakso EL, Ting J. Self-control, limited willpower and decision fatigue in healthcare settings. Intern Med J. 2023 Jun;53(6):1076-1080. doi: 10.1111/imj.16121. Epub 2023 Jun 9. PMID: 37294047.

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37294047/

 

[3] Su Y, Bi T, Gong G, Jiang Q, Chen H. Why Do Most Restrained Eaters Fail in Losing Weight?: Evidence from an fMRI Study. Psychol Res Behav Manag. 2019 Dec 19;12:1127-1136. doi: 10.2147/PRBM.S228430. PMID: 31920410; PMCID: PMC6932934.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6932934/

 

[4] Salmon SJ, Adriaanse MA, Fennis BM, De Vet E, De Ridder DTD. Depletion sensitivity predicts unhealthy snack purchases. Appetite. 2016 Jan 1;96:25-31. doi: 10.1016/j.appet.2015.08.027. Epub 2015 Aug 28. PMID: 26321417.

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26321417/

 

[5] Roberts SB. Glycemic index and satiety. Nutr Clin Care. 2003 Jan-Apr;6(1):20-6. PMID: 12841427.

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12841427/

 

[6] Holt SH, Brand Miller JC, Petocz P. Interrelationships among postprandial satiety, glucose and insulin responses and changes in subsequent food intake. Eur J Clin Nutr. 1996 Dec;50(12):788-97. PMID: 8968699.

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/8968699/

 

[7] Fardet A. Minimally processed foods are more satiating and less hyperglycemic than ultra-processed foods: a preliminary study with 98 ready-to-eat foods. Food Funct. 2016 May 18;7(5):2338-46. doi: 10.1039/c6fo00107f. Epub 2016 Apr 29. PMID: 27125637.

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27125637/

 

[8] Sumithran P, Prendergast LA, Delbridge E, Purcell K, Shulkes A, Kriketos A, Proietto J. Ketosis and appetite-mediating nutrients and hormones after weight loss. Eur J Clin Nutr. 2013 Jul;67(7):759-64. doi: 10.1038/ejcn.2013.90. Epub 2013 May 1. PMID: 23632752.

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23632752/

 

[9] Paoli A, Bosco G, Camporesi EM, Mangar D. Ketosis, ketogenic diet and food intake control: a complex relationship. Front Psychol. 2015 Feb 2;6:27. doi: 10.3389/fpsyg.2015.00027. PMID: 25698989; PMCID: PMC4313585.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4313585/

 

[10] Holt, S.H.A. & Brand-Miller, Jennie & Petocz, Peter & Farmakalidis, E. (1995). A Satiety Index of common foods. European journal of clinical nutrition. 49. 675-90. 

https://www.researchgate.net/publication/15701207_A_Satiety_Index_of_common_foods

 

[11] Rakha A, Mehak F, Shabbir MA, Arslan M, Ranjha MMAN, Ahmed W, Socol CT, Rusu AV, Hassoun A, Aadil RM. Insights into the constellating drivers of satiety impacting dietary patterns and lifestyle. Front Nutr. 2022 Sep 20;9:1002619. doi: 10.3389/fnut.2022.1002619. PMID: 36225863; PMCID: PMC9549911.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9549911/