Teil 7: Wie hart trainieren? [Anstrengung]

~3600 Wörter; 10-14 Minuten Lesezeit.

Autor: Lukas Buschkühl

Zusammenfassung

  • Anstrengung bemisst sich an den Wiederholungen, die du am Ende deiner Sätze im Tank lässt. Die maximal mögliche Anstrengung ist T0, das Training bis zum Muskelversagen.
  • Sobald drei oder mehr Wiederholungen im Tank sind, ist es an der Zeit, das Gewicht zu erhöhen.
  • Die meisten Lifter bleiben weit unter dem Anstrengungslevel, das aus Sätzen erst effektive Sätze macht.
  • Du erreichst mit T1-2 ziemlich genau die gleichen Effekte für Kraft- und Muskelaufbau wie mit T0.
  • Training bis zum Muskelversagen ist ineffizient.
  • Mehr Gewicht auf der Stange bedeutet nicht grundsätzlich, dass du stärker geworden bist.
  • Einsteigerprogramme enden in schlechter Technik, erhöhter Verletzungsgefahr, mentaler Frustration, körperlichen Überlastungserscheinungen und vor allem in Stagnation.
  • Die Einschätzung, wie viele Wiederholungen du am Ende eines Satzes noch hättest machen können, ist eine Fähigkeit, die sich, wie jede andere Fähigkeit auch, durch Übung verbessert. Selbst wenn du dich dagegen entscheidest, Wiederholungen im Tank zu dokumentieren, kommst du langfristig nicht darum herum.
  • Es gibt als Einsteiger keinen guten Grund, mit T0 oder T1 zu trainieren. Du profitierst vom Einsteiger Effekt und kannst selbst mit T5 und T6 sehr gute Fortschritte machen.
  • Pausen sollten so kurz wie möglich und so lang wie nötig sein. So lang wie nötig bedeutet, dass dein Anstrengungslevel von Satz zu Satz gleich bleibt.

Was ist Anstrengung?

Anstrengung ist die zweite Grundvoraussetzung für produktive Erschöpfung. Wenn du einen Satz Kniebeuge mit 80 kg für fünf Wiederholungen machst, mit diesem Gewicht aber eigentlich 15 Wiederholungen hättest machen können, dann hast du keine produktive Erschöpfung erzeugt. So ein Satz ist kein effektiver Satz, sondern ein Aufwärmsatz.

 

Anstrengung bemisst sich an den Wiederholungen, die du am Ende deiner Sätze im Tank lässt. [1, 2] Die Wiederholungen im Tank zeigen an, wie weit ein Satz von der maximal möglichen Anstrengung, dem Muskelversagen, entfernt ist.

Wie viele Wiederholungen im Tank lassen?

Anstrengung wird im Trainingsplan in der Zeile 'T' für 'Wiederholungen im Tank' festgehalten. Beschreibt man einen Satz, so steht das T nach dem Arbeitsgewicht.

 

Kniebeuge 3x5 80 kg T1

bedeutet: Drei Sätze Kniebeuge mit 80 kg für fünf Wiederholungen und einer Wiederholung im Tank.

 

Der Rahmen, in der Anstrengung im Training dokumentiert wird, ist begrenzt:

 

T0 Keine weitere Wiederholung wäre möglich gewesen. 

T1 Noch eine Wiederholung wäre möglich gewesen.

T2 Noch zwei Wiederholungen wären möglich gewesen.

T3+ Noch drei oder mehr Wiederholungen wären möglich gewesen.

 

Es ergibt in der Praxis wenig Sinn, zwischen 4 und 5 oder 6 Wiederholungen im Tank zu unterscheiden, da diese Sätze nicht mehr als effektive Sätze zählen. Wenn du bei einer Übung bei T3+ landest, ist es sowieso an der Zeit, das Gewicht zu erhöhen.

Welche Anstrengung liefert am meisten Trainingserfolg?

Aus den letzten Teilen des Guides weißt du bereits, dass die Frage nach den bestmöglichen Fortschritten gleichbedeutend ist mit der Frage: Welches Level an Anstrengung ermöglicht dir die höchste Anzahl effektiver Sätze pro Woche? Idealerweise mit einem möglichst niedrigen Zeitaufwand.

Zu niedrige Anstrengung

Wer seine Sätze dauerhaft mit mehr als drei Wiederholungen im Tank macht, wird zu Beginn noch durch die Hilfe des Einsteiger Effekts kleine Fortschritte machen und dann recht schnell stagnieren.

 

Eine Untersuchung zu dem Thema zeigt, dass die meisten Lifter weit unter dem Anstrengungslevel bleiben, das aus Sätzen erst effektive Sätze macht. [3] Der Methodik der Studie liegt nah an dem, was ein Coach in der ersten Trainingseinheit mit einem neuen Klienten macht, der schon längere Zeit trainiert und trotzdem stagniert: Erst einmal testen, ob die Sätze, die im Plan stehen, überhaupt effektive Sätze sind. Die Probanden der Studie sollten das Gewicht, das sie auf der Bank in ihrem bisherigen Training normalerweise für zehn Wiederholungen drückten, so häufig drücken, bis tatsächlich das Muskelversagen einsetzte.

 

  • Bei 22% der Probanden setzte das Muskelversagen nach zehn bis zwölf Wiederholungen ein. Weniger als ein Viertel der Probanden trainierte also regelmäßig im Anstrengungsbereich T0 bis T2. 
  • Etwa 50% der Probanden schaffte mehr als 16 Wiederholungen. Das heißt, dass diese Lifter ihre Sätze normalerweise mit T6+ machten und ihr Bankdrücken schon lange keinen leistungssteigernden oder körperformenden Effekt mehr haben konnte. 
  • Etwa 15% der Probanden schafften mehr als 20 Wiederholungen, was bedeutet, dass sie praktisch überhaupt nicht trainiert hatten, sondern nur für ein Aufwärmprogramm immer wieder ins Gym gegangen waren.

 

Das sollte sich mit der Beobachtung decken, die du in jedem kommerziellen Gym weltweit machen kannst:

 

Mindestens drei Viertel der Studiomitglieder verschwenden ihre Zeit und sehen zwei Jahre nach ihrer Anmeldung immer noch genau so aus wie zu Beginn.

Zu hohe Anstrengung

Training im Bereich T0 bis T3 ist effektiv für Kraft- und Muskelaufbau. Jede Untersuchung zeigt, dass du mit T1-2 ziemlich genau die gleichen Effekte für Kraft- und Muskelaufbau erreichst, wie mit T0, solange das Volumen gleich bleibt. [4, 5, 6, 7, 8, 9, 10]

 

Wenn es aber darum geht, möglichst viele effektive Sätze pro Woche trainieren zu können, zeigt sich, dass Training bis zum Muskelversagen ineffizient ist. Du bezahlst für das maximale Level an Anstrengung einen unangemessen hohen Preis:

 

  • Du brauchst deutlich längere Pausen zwischen deinen Sätzen
  • Du schaffst insgesamt weniger Sätze
  • Du erhöhst deine Verletzungsgefahr bei mehrgelenkigen Übungen

 

Die ersten zwei Punkte werden nicht weiter verwundern und jedem Lifter bekannt sein, der schon einmal mit T0 trainiert hat. Auch der dritte Punkt hat simple Hintergründe: Je mehr Gelenke an einer Übung beteiligt sind, desto mehr Muskelgruppen arbeiten zusammen.

 

Wenn du eine Isolationsübung wie den Bizepscurl machst, dann ist deine Technik auch bei der allerletzten Wiederholung vorm Muskelversagen noch gut, da die gesamte Ausführung der Übung mit der Erschöpfung eines einzelnen Muskels (M. biceps brachii) steht und fällt. Beim Kreuzheben hingegen arbeitet eine lange Kette an Muskelgruppen zusammen. Jede Kette hat ein schwächstes Glied, das durchaus schon erschöpft sein kann, wenn die anderen beteiligten Muskelgruppen noch zwei oder drei Wiederholungen aushalten. Wenn dein Rückenstrecker das schwächste Glied ist, dann würdest du die letzten zwei Wiederholungen zwar noch schaffen, dabei den Rücken aber immer krummer und krummer machen, weil dort einfach keine Spannung mehr gehalten werden kann. Wenn deine handschließende Muskulatur das schwächste Glied ist, wird dir die Stange aus der Hand rutschen. 

 

Je mehr Muskelgruppen an einer Übung beteiligt sind, desto schlechter die Technik der letzten Wiederholungen vorm Muskelversagen. Deswegen ist Training bis ans Muskelversagen mit einer höheren Verletzungsgefahr verbunden. In der Praxis haben sich folgende Empfehlungen bewährt:

 

Isolationsübungen: T0

Bei Isolationsübungen kann ohne Probleme bis zum Muskelversagen trainiert werden, da hier keine Kette sondern nur ein einzelnes Glied arbeitet.

 

Oberkörperübungen (Bankdrücken, Klimmzug): T1-T2

Für Oberkörperübungen arbeiten vergleichsweise kurze Muskelketten zusammen. T1-2 ist sinnvoll.

 

Unterkörperübungen (Kniebeuge, Kreuzheben): T2-T3

Für die großen Unterkörperübungen arbeiten die meisten Muskelgruppen zusammen. Hier bricht die Technik oft schon bei T1. T2-3 ist für reguläres Training sinnvoller.

 

Falls du bisher regelmäßig bis zum Muskelversagen trainiert hast: Probier einfach mal ein geringeres Anstrengungslevel aus. Wenn du mit ein bis drei Wiederholungen im Tank trainierst wirst du nicht nur langfristig bessere Fortschritte machen, du wirst dich dabei körperlich und mental besser fühlen. Du brauchst dir dann keine Sorgen mehr machen, dass du nach der letzten Wiederholungen in der Kniebeuge oder im Bankdrücken unter der Stange begraben wirst, weil du grundsätzlich in jedem Training all deine Sätze mit allen Wiederholungen schaffst. Du wirst dich schneller wieder fit für die nächste Einheit fühlen und kürzere Pausen zwischen den Sätzen brauchen. Du ermöglichst dir selbst, mit korrekter Technik zu trainieren und verringerst deine Verletzungswahrscheinlichkeit. All das ermöglicht dir ein regelmäßiges, effektives Training.

 

Leider prägt Hollywood in nahezu allen Filmen über Sportler à la Rocky, dass jede einzelne Trainingseinheit grundsätzlich mit 100% oder besser noch mit '110%' durchgezogen werden muss. Trendsportarten wie Crossfit schütten zusätzlich Öl ins Feuer, indem sie ganz normale Trainingseinheiten in Wettkämpfe verwandeln. Wenn du als Hobbysportler an einem Crossfit Kurs teilnimmst, um dein 'Workout of the Day' zu machen, wird auf dem Whiteboard eine öffentlich sichtbare Liste geführt, welcher Kursteilnehmer das Workout am schnellsten geschafft hat. Mit der entsprechenden Portion Ehrgeiz gehen die Kursteilnehmer an ihre Leistungsgrenze. Dadurch erzeugen sie unproduktive Erschöpfung, erhöhen ihre Verletzungsgefahr und haben nach jedem 'Training' mehrere Tage starken Muskelkater, der weitere Trainingseinheiten massiv behindert oder unmöglich macht.

 

Wenn du schon länger am Eisen bist und dich auf Wettkämpfen mit Elitesportlern ausgetauscht hast, wirst du wissen, dass kein Profisportler auf diese Art und Weise trainiert. Anstrengung bis zum Muskelversagen ist ausschließlich für Wettkämpfe vorbehalten. Das ist im Übrigen der Grund dafür, dass die Verletzungsgefahr im Wettkampf immer höher ist als im Training.

Egal, ob du stärker oder schwächer wirst, dein Training bleibt immer gleich anstrengend.

Training nach Wiederholungen im Tank ermöglicht dir nicht nur, zuverlässig effektive Sätze mit korrekter Technik zu trainieren, sondern insbesondere, die Trainingsgewichte korrekt zu dosieren. Die Grundregeln für die Dosierung der Gewichte könnte kaum simpler sein:

 

  • Wenn die Sätze einer Übung in deinem Plan bei T1-2 liegen, wiederholst du das Gewicht bei der nächsten Einheit.
  • Wenn die Sätze einer Übung in deinem Plan T3+ erreichen, ist es an der Zeit, die Gewichte zu erhöhen. Das ist ein Indikator dafür, dass du entweder stärker geworden bist, oder kurzfristig Erschöpfung abgebaut hast, weil du beispielsweise Trainingseinheiten hast ausfallen lassen. So etwas behindert deinen langfristigen Erfolg, auch wenn es kurzfristig im Trainingsplan schön aussehen mag. Dazu mehr in Teil 10 des Guides.
  • Wenn du bei T0 landest, wirst du die Gewichte verringern müssen. Das ist ein Indikator dafür, dass du entweder schwächer geworden bist, beispielsweise weil du über längere Zeit Trainingseinheiten hast ausfallen lassen, oder, dass du ein unproduktives Maß an Erschöpfung mit dir rumträgst.

 

Wenn die Belastung, die deine Trainingseinheiten erzeugen, korrekt dosiert ist, wirst du langsam stetig stärker. Die einzige Ausnahme dieser Regel sind Lifter, die bereits ihr genetisches Limit erreicht haben. Wenn das für dich der Fall wäre, würdest du diesen Guide vermutlich nicht lesen, also gehen wir davon aus, dass du Fortschritte machen kannst. Wenn dein Training die notwendige Dosis an Erschöpfung erzeugt, sieht deine Trainingsdokumentation beispielsweise folgendermaßen aus:

Wie nah am Muskelversagen trainieren?
So würde eine Trainingsdokumentation idealerweise aussehen. In der Norm sieht es leider anders aus.

Jedes Einsteigerprogramm endet bei T0

Fast alle Einsteigerprogramme empfehlen dir, einfach von Training zu Training das Gewicht zu erhöhen, ohne auf Wiederholungen im Tank zu achten. Ohne die Dokumentation der Anstrengung weißt du aber nicht, ob du wirklich Fortschritte machst. Mehr Gewicht auf der Stange bedeutet eben nicht grundsätzlich, dass du stärker geworden bist.

 

Wenn du zu Beginn eines Einsteigerprogramms 60 kg für fünf Wiederholungen mit vier Wiederholungen im Tank hebst...

 

Kreuzheben 1x5 60 kg T4

 

...und dann in jeder Einheit um 2,5 kg erhöhst, um ein paar Wochen später 70 kg für fünf Wiederholungen mit null Wiederholungen im Tank zu heben...

 

Kreuzheben 1x5 70 kg T0

 

...dann bist du nicht stärker geworden. Du trainierst nach den zwei Wochen einfach nur mit einer höheren Anstrengung als zu Beginn.

 

Zugegeben: Zu Beginn wird das nicht passieren, da du noch vom Einsteiger Effekt profitierst und nahezu garantiert Fortschritte machen wirst. Acht bis zwölf Wochen später sieht die Sache aber schon ganz anders aus. Das Gewicht in jeder Einheit oder in jeder Woche um 2,5 kg zu erhöhen, funktioniert sehr schnell nicht mehr.

 

Deswegen enden die meisten Einsteigerprogramme in sehr ineffektivem Training, bei dem fast alle Sätze bis zum Muskelversagen gemacht werden. Einsteigerprogramme enden in schlechter Technik, erhöhter Verletzungsgefahr, mentaler Frustration, körperlichen Überlastungserscheinungen und vor allem in Stagnation. Wer empfiehlt, die Gewichte pauschal in jeder Einheit zu steigern, hat nicht verstanden, weshalb Trainingsgewichte überhaupt erhöht werden.

 

Du erhöhst die Gewichte nicht, um stärker zu werden. Es ist genau andersherum: Wenn du die Gewichte erhöhen kannst, bist du stärker geworden.

 

Die Trainingsgewichte werden immer dann erhöht, wenn es notwendig wird, weil du durch intelligentes Erschöpfungsmanagament stärker geworden bist. Die Idee, dass du dadurch stärker wirst, dass du die Gewichte erhöhst, ist absurd. Das ist in etwa so, als ob ein Sprinter sagt: »Ich will schneller sprinten können, dafür muss ich schneller sprinten.« Ein Sprinter, der immer schneller und schneller sprinten können will, muss immer mehr und mehr Sprints pro Woche machen. Wenn du viel Gewicht heben können willst, wirst du mit drei Sätzen Kreuzheben pro Woche nicht besonders weit kommen.

 

Wenn du mal eine Zeit lang nach der Empfehlung trainiert hast, die Gewichte in jeder Einheit zu erhöhen, dann weißt du genau, was passiert, wenn du versuchst, die Gewichte zu erhöhen, ohne stärker geworden zu sein. Zunächst mal landest du bei T0. Wenn du von dort das Gewicht noch weiter erhöhst, schaffst nicht mehr alle Wiederholungen und landest schon nach der Hälfte des Satzes beim Muskelversagen. Das hat mit effektivem Training nicht das Geringste zu tun.

 

 

Anstrengung kann nicht die Stellschraube sein, die du immer weiter nach oben drehst, um langfristig immer weitere Fortschritte zu machen. Das ist unmöglich, weil Anstrengung nach oben hin auf T0 gedeckelt ist.

 

 

Wenn du mit T1-2 die meisten effektiven Sätze pro Woche machen kannst, bleibt dir kein besonders großer Puffer bis T0. Du hast nahezu keinen Spielraum, die Anstrengung nach oben zu drehen. Das Internet empfehlt dir, sobald du mit deinem Einsteigerprogramm bei T0 angelangt bist, zwei Optionen:

  • Reduziere die Gewichte um 10% und fange von dort direkt wieder an, die Gewichte in 2,5 kg Schritten zu erhöhen.
  • Verringere von fünf auf drei Wiederholungen pro Satz, um die Gewichte weiter erhöhen zu können.

 

Keine der beiden Optionen kann funktionieren.

Option 1: Die Gewichte um 10% verringern

Nehmen wir an, du entscheidest dich für Option Eins. Du beugst aktuell 85 kg für fünf Wiederholungen bis zum Muskelversagen.

 

Vorher

Kniebeuge 3x5 85 kg T0

 

Du verringerst das Gewicht um 10% auf 77,5 kg und bleibst bei fünf Wiederholungen. Dadurch hast du am Ende deiner Sätze zwei Wiederholungen im Tank.

 

Nach der Änderung

Kniebeuge 3x5 77,5 kg T2

 

Dass deine Fortschritte vor der Änderung stagnierten bedeutet, dass die Belastung bereits zu niedrig war, um die für weitere Anpassungen deines Körpers notwendige Dosis an Erschöpfung zu erzeugen. Du machst jetzt immer noch drei Sätze Kniebeuge, nur mit etwas weniger Anstrengung. Die Belastung, die ein Training erzeugt, verändert sich dadurch kaum. 

 

Wenn du jetzt wieder in 2,5 kg Schritten die Gewichte erhöhst, ohne stärker geworden zu sein, erhöhst du einfach nur die Anstrengung von T2 auf T1 und dann wieder T0, um an genau dem gleichen Punkt bei 85 kg wieder hängen zu bleiben. Wie war das noch mal mit der Definition von Wahnsinn?

 

Ein paar Wochen nach der Änderung

Kniebeuge 3x5 85 kg T0

Option 2: Drei statt fünf Wiederholungen pro Satz

Nehmen wir an, du entscheidest dich Option Zwei. Du beugst aktuell 85 kg für fünf Wiederholungen bis zum Muskelversagen.

 

Vorher

Kniebeuge 3x5 85 kg T0

 

Du behälst das Gewicht bei und verringerst von fünf auf drei Wiederholungen. Dadurch hast du am Ende deiner Sätze zwei Wiederholungen im Tank.

 

Nach der Änderung

Kniebeuge 3x3 85 kg T2

 

Da dein Anstrengungslevel nun wieder ein bisschen Luft für Gewichtssteigerungen lässt, kannst du ein paar Wochen lang das Gewicht weiter in 2,5 kg Schritten erhöhen. Ein paar Wochen später bist du bei 92,5 kg für drei Wiederholungen und null Wiederholungen im Tank. Das hättest du auch schon direkt am Tag des Wechsels von fünf auf drei Wiederholungen machen können. Der nächste logische Schritt wäre, nur noch eine Wiederholung mit 100 kg bis zum Muskelversagen zu machen.

 

Ein paar Wochen nach der Änderung

Kniebeuge 3x3 92,5 kg T0

 

Nächster logischer Schritt

Kniebeuge 3x1 100 kg T0

 

Du erzeugst mit Singles (1WH) und Triples (3WH) nicht mehr Belastung als mit fünf Wiederholungen pro Satz. Du erzeugst einfach nur eine etwas andere Belastung. Es gilt das Grundprinzip der Spezifität: Du wirst besser darin, Triples zu machen, je mehr Triples du tatsächlich machst. Das Gleiche gilt für Sätze mit fünf Wiederholungen.

 

Was den Muskelaufbau angeht liefern Triples keine besseren Ergebnisse als Sätze mit fünf Wiederholungen. Dass sich Triples besser als 5er Sätze eignen, um kurz vor einem Powerlifting Wettkampf 'stark' zu werden liegt einfach nur daran, dass im Powerlifting eine Einzelwiederholung getestet wird und drei Wiederholungen näher an einer Wiederholung liegen als fünf Wiederholungen. Kleiner Tip aus der Raketenwissenschaft: Du wirst auf dem Wettkampf sogar noch besser abschneiden, wenn du Singles statt Triples machst, ganz einfach weil du dann noch wettkampfspezifischer trainierst.

 

Da du mit beiden Optionen deine Trainingsbelastung nicht steigerst, erzeugst du auch weiterhin nicht die für weitere Anpassungen deines Körpers notwendige Dosis an Erschöpfung. Du trittst auf der Stelle und verschwendest deine Zeit. Was du stattdessen an deinem Trainingsplan ändern musst, um wieder Fortschritte zu machen, wird in Teil 8 des Guides erläutert.

Woher soll ich wissen, wie viele Wiederholungen im Tank sind?

Wenn du bisher noch nicht mit Wiederholungen im Tank gearbeitet hast, wirst du dich fragen, woher du genau wissen sollst, wie viele Wiederholungen am Ende deiner Sätze noch im Tank sind.

 

Die Einschätzung, wie viele Wiederholungen du am Ende eines Satzes noch hättest machen können, ist eine Fähigkeit, die sich, wie jede andere Fähigkeit auch, durch Übung verbessert. [11]

 

Zu Beginn werden deine Einschätzung weit daneben liegen. Die Fähigkeit, eine zuverlässige Einschätzung der Anstrengung vorzunehmen unterscheidet sich insofern nicht von der Fähigkeit, eine technisch korrekte Kniebeuge auszuführen. Wenn du damit anfängst, kannst du es nicht. Wenn du es regelmäßig übst, lernst du es. Wenn du mit einem Coach zusammenarbeitest, lernst du es schneller. Dass du es als Trainingseinsteiger überhaupt nicht kannst, ist erst mal egal, da du zu diesem Zeitpunkt sowieso noch vom Einsteiger Effekt profitierst und dir alle möglichen Fehler leisten kannst.

 

Aussagen wie: »Die Bestimmung der Gewichte nach Einschätzung der Anstrengung ist nur etwas für erfahrene Leistungssportler« sind unsinnig. Je früher du damit anfängst, solche Einschätzungen vorzunehmen und zu dokumentieren, desto schneller wirst du gut darin. Genau so wie du als Einsteiger direkt anfangen solltest, komplexe Grundübungen wie die Kniebeugen zu machen, um so schnell wie möglich gut darin zu werden.

 

Da Anstrengung nach oben hin auf null Wiederholungen im Tank gedeckelt ist, wird es dir nicht schwer fallen, den ersten objektiven Anhaltspunkt für deine Einschätzungen zu finden. Wenn du beim Bankdrücken ans Muskelversagen (T0) gelangst und noch eine Wiederholung versuchst, dann wird die Stange auf deiner Brust liegen bleiben. Während du an die Bank gefesselt bist und kläglich darauf wartest, dass dir jemand zur Hilfe eilt, wirst du nicht lange überlegen müssen, wie viele Wiederholungen noch im Tank gewesen sein könnten. Spätestens nach so einem Erlebnis weißt du, wie sich T0 anfühlt. Mit diesem Wissen im Hinterkopf kannst du in Zukunft versuchen, etwas weiter von T0 wegzubleiben.

 

Wenn du dir nicht sicher bist, ob deine Sätze bei T1 oder T2 liegen, kannst du es ganz einfach ermitteln, indem du beim nächsten Satz versuchst, zwei zusätzliche Wiederholungen zu machen. Wenn nur eine zusätzliche Wiederholung möglich ist, liegst du bei T1. Wenn zwei Wiederholungen möglich sind, liegst du entweder bei T2 oder sogar bei T3+. Du kannst dann weiter ausprobieren, um das genaue Anstrengungslevel zu ermitteln.

 

Auch hier gilt das Gleiche wie für deine Kniebeugetechnik: Du wirst nicht jahrelang experimentieren müssen, bis du den Dreh raus hast. Ein paar Monate genügen in der Regel. Die goldene Mitte zwischen zu viel und zu wenig Anstrengung findest du entweder über Versuch und Fehlschlag oder durch die Hilfe eines Coaches. Wie immer wird dir keine Tabelle aus dem Internet diesen Lernprozess abnehmen können.

 

Selbst wenn du dich dagegen entscheidest, Wiederholungen im Tank zu dokumentieren, kommst du langfristig nicht darum herum.

 

Du trainierst immer mit einem gewissen Level an Anstrengung, so wie du immer mit einer bestimmten Anzahl an Sätzen und Wiederholungen und einem bestimmten Gewicht trainierst. Der Unterschied zwischen einem Lifter, der seine Anstrengung dokumentiert und einem Lifter, der das nicht tut ist, dass der Eine immer wieder blind gegen die Wand fährt, während der Andere die Wand kommen sieht und ausweichen kann. Spätestens, wenn ein nicht-dokumentierender Lifter bei T0 ankommt, ist er sowieso gezwungen, das Gewicht zu verringern.

 

Wenn 'Kniebeuge 3x5 85 kg' im Plan steht und schon beim ersten Satz nach vier Wiederholungen klar ist, dass keine fünfte Wiederholung mehr möglich ist, dann wird der nicht-dokumentierende Lifter die Hantel ablegen und für die nächsten beiden Sätzen das Gewicht verringern. Das ist nichts anderes als die Bestimmung der Gewichte nach eingeschätzter Anstrengung, nur ohne Plan und Voraussicht.

Welche Anstrengung eignet sich am besten für Einsteiger?

Für Einsteiger ist das mit Abstand wichtigste Ziel im Training das Erlernen der korrekten Technik. Nur mit sauberer Technik kann langfristig effektiv bis auf ein hohes Leistungsniveau trainiert werden.

 

Ein hohes Anstrengungslevel erschwert die Konzentration auf die korrekte Technik und sorgt durch die vorzeitige Ermüdung der schwächsten Glieder der arbeitenden Muskelkette dafür, dass die Übung falsch ausgeführt und im motorischen Gedächtnis falsch abgespeichert wird.

 

Es gibt als Einsteiger keinen guten Grund, mit T0 oder T1 zu trainieren. Du profitierst vom Einsteiger Effekt und kannst selbst mit T5 und T6 sehr gute Fortschritte machen. Die Empfehlung ist hier also ganz klar, die Sache erst mal locker anzugehen, um so schnell wie möglich effektive Technik zu festigen. Keine Sorge: Wenn du langfristig Fortschritte machen willst werden die höheren Anstrengungslevel für dich noch früh genug zur Norm.

Pausenzeiten

Wie lange du zwischen deinen Arbeitssätzen pausieren solltest ist ein Thema, das unmittelbar mit Anstrengung zusammenhängt.  Wenn du deinen ersten Satz Kniebeuge mit T3 machst, im zweiten Satz schon bei T1 bist und im dritten Satz bei T0 landest, dann sind deine Pausen zu kurz.

 

Solange du das Trainingsgewicht nicht von Satz zu Satz veränderst, sollte sich auch am Anstrengungslevel von Satz zu Satz nichts ändern. [12, 13, 14]

 

Idealerweise willst du deine Pausen so kurz wie möglich halten, um pro Woche so viele effektive Sätze wie möglich in so kurzer Zeit wie möglich trainieren zu können. Gleichzeitig müssen die Pausen so lang sein, dass dein Anstrengungslevel von Satz zu Satz gleich bleibt. Damit bewegst du dich in einem Rahmen von 30 Sekunden bis fünf Minuten, abhängig von den folgenden Faktoren:

  • Die Länge der an der Übung beteiligten Muskelkette. 
  • Die Leistungsfähigkeit deines Herz-Kreislaufsystems.

Die großen Unterkörperübungen Kniebeuge und Kreuzheben erfordern die längsten Pausen (2-3 Minuten) danach kommen die mehrgelenkigen Oberkörperübungen (1-2 Minuten). Für Isolationsübungen wie den Bizepscurl genügen kurze Pausen unter einer Minute.

 

Je besser deine Ausdauerleistungsfähigkeit ist, desto schneller erholst du dich von einer Belastung und desto kürzer können deine Pausen sein. Wenn du zwischen zwei Sätzen Kniebeuge mehr als drei Minuten Pause brauchst, um nicht von T2 auf T0 zu rutschen, dann solltest du mehr Ausdauertraining machen. Du wirst dadurch im Endeffekt sogar Zeit im Gym sparen, da du deine Ausdauer nicht besonders häufig oder lang trainieren musst, um ein solides Grundniveau zu erreichen.

 

Für deine Aufwärmsätze gibt es keinen Grund, zu pausieren. Aufwärmsätze sind per Definition viel zu leicht und bewegen sich irgendwo zwischen T6 und T30. Die Pausen zwischen deinen Aufwärmsätzen werden in der Praxis genau die Zeit in Anspruch nehmen, die es dich kostet, die Scheiben auf der Stange zu wechseln.

Quellen

[1] Helms et al., Application of the Repetitions in Reserve-Based Rating of Perceived Exertion Scale for Resistance Training. Strength Cond J, 2016.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4961270/

 

[2] Helms, Using the Repetitions in Reserve-based Rating of Perceived Exertion Scale to Autoregulate Powerlifting Training, School of Sport and Recreation, 2017.

https://pdfs.semanticscholar.org/69bc/51e46fc93b8607a3bca2f7eb9865da6a347b.pdf

 

[3] Barbosa-Netto et al., Self-Selected Resistance Exercise Load: Implications for Research and Prescription. J Strength Cond Res, 2017.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29112055

 

[4] Nobrega et al., Is Resistance Training to Muscular Failure Necessary? Front Physiol, 2016.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4731492/

 

[5] Martorelli et al., Strength Training with Repetitions to Failure does not Provide Additional Strength and Muscle Hypertrophy Gains in Young Women. Eur J Transl Myol, 2017.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28713535

 

[6] Davies et al., Effect of Training Leading to Repetition Failure on Muscular Strength: A Systematic Review and Meta-Analysis. Sports Med, 2016.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26666744

 

[7] Willardson et al., Training to Failure and Beyond in Mainstream Resistance Exercise, Str Con Jour, 2010.

https://thekeep.eiu.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1030&context=kss_fac

 

[8] Khamoui et al., Is Training to Failure a Safe and Effective Method for Improving Athletic Performance?, Kin Sports Studies, 2011.

https://pdfs.semanticscholar.org/9ce9/1c9ac43857b099529cf71b748c72f16a7be5.pdf

 

[9] Sampson et al., Is repetition failure critical for the development of muscle hypertrophy and strength? Scand J Med Sci Sports, 2016.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25809472

 

[10] Schoenfeld et al., Does Training to Failure Maximize Muscle Hypertrophy? Str Con Jour, 2019.

https://www.researchgate.net/publication/331718773_Does_Training_to_Failure_Maximize_Muscle_Hypertrophy

 

[11] Hackett et al., Accuracy in Estimating Repetitions to Failure During Resistance Exercise. J Strength Cond Res. 2017 Aug;31(8):2162-2168.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27787474

 

[12] Grgic et al., The effects of short versus long inter-set rest intervals in resistance training on measures of muscle hypertrophy: A systematic review. Eur J Sport Sci., 2017.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28641044

 

[13] Stone et al., Training to muscular failure: is it necessary. Strength And Conditioning Journal, 1996.

https://journals.lww.com/nsca-scj/Citation/1996/06000/Training_to_Muscular_Failure__Is_It_Necessary_.11.aspx

 

[14] Morán-Navarro et al., Time course of recovery following resistance training leading or not to failure, Eur J Appl Physiol, 2017.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28965198